"Some day, we will all die, Snoopy."
"True, but on all the other days, we will not." - Charles M. Schulz
16. Sonntag nach Trinitatis – 15. September 2024 – Psalm 16
Heilig Kreuz-Kirche Wiesenbronn – Abschiedspredigt von Esther Meist
Gnade sei mit euch, und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
„Eines Tages“, so sagt Charly Brown zu seinem Hund Snoopy, „eines Tages werden wir alle sterben.“ „Stimmt!“, antwortet Snoopy. „Aber an allen anderen Tagen nicht!“
So beginnt der Umzug jedes Mal. Ich sitze da, liebe Gemeinde.
Vor mir steht die Kiste mit all den Erinnerungsstücken. [Erinnerungskiste.] Viele von uns haben so eine Kiste: Alte Kinokarten, Briefe von Freunden und Familie, Konzerttickets, Einladungen zu besonderen Festen …
Ich sitze da und sortiere. Und nehme jedes Stück in die Hand. Manche Stücke nur kurz, ich lege sie gleich wieder zurück. Bei manchen bleibe ich hängen, erinnere mich …
Das meiste bleibt in der Kiste. Sie wird von Jahr zu Jahr voller, schwerer. Das meiste bleibt und Neues kommt dazu. Manches darf gehen: die Konzertkarte von der Band, die mir gar nichts mehr sagt. Ein Foto von einem Fest, aber da habe ich noch schönere … Ein Briefchen, einmal wichtig, heute ganz belanglos.
1 Ein güldenes Kleinod Davids.
Bewahre mich, Gott; denn ich traue auf dich.
2 Ich habe gesagt zu dem Herrn: Du bist ja der Herr!
Ich weiß von keinem Gut außer dir.
3 An den Heiligen, die auf Erden sind,
an den Herrlichen hab ich all mein Gefallen.
So beginnt der Psalm 16, der Psalm, der uns heute aufgegeben ist.
Am Anfang steht eine Bitte. Und ein Bekenntnis: Bewahre mich, Gott. Auf dich traue ich.
2 Ich habe gesagt zu dem Herrn: Du bist ja der Herr!
Ich weiß von keinem Gut außer dir.
3 An den Heiligen, die auf Erden sind,
an den Herrlichen hab ich all mein Gefallen.
Das passt gut zu einem Umzug. Und ich sortiere weiter.
Manches bleibt in der Kiste. Obwohl es weh tut. Kunstvoll gestaltete Karten von der besten Freundin in der Schulzeit, künstlerisch begabt war sie. Sie war so wichtig für mich. Ich habe sie bewundert. Und immer war da das leise Gefühl, das ich ihr nicht so viel bedeute, ihr nicht so wichtig bin. Das Gefühl, ich müsste mehr sein, als ich bin.
Es gab noch eine zweite beste Freundin – doch das geht tatsächlich! Auch sie habe ich sehr bewundert. Auch sie war so hübsch und beliebt. Von ihr gibt es keine Karten. Gerade einmal eine handvoll Fotos. Und an den Tagen, an denen es mir nicht gutging, da hat sie mich angerufen. Und solange mit mir geredet, bis ich zu ihr gegangen bin, ein paar hundert Meter den Berg hinunter. Von dort ging es dann weiter, über den Friedhof in die Stadt. Zuerst in die Stadtbibliothek. Dann ein paar Einkäufe machen. Als wir älter waren, noch auf einen Cappuccino ins Café am Kreuzgang.
4 Aber jene, die einem andern nachlaufen,
werden viel Herzeleid haben.
Ich will das Blut ihrer Trankopfer nicht opfern
noch ihren Namen in meinem Munde führen.
So geht es im Psalm 16 weiter. Ist der Psalmbeter selbst einmal falschen Götter nachgelaufen? So ganz einig sind sich die Ausleger nicht. Sicher ist nur: Jetzt gehört er zu Gott. Der Gott, der keine Opfer fordert. Der Gott, der großzügig gibt. Der Beter ist sich ganz sicher: Ich weiß von keinem Gott außer dir. Er hat eine Entscheidung getroffen. Seine Entscheidung.
Jetzt kommen neue Dinge in die Kiste: Festschriften vom Jubiläum des Posaunenchors und des Spielmannszuges. Und natürlich von der Ein-weihung der Alten Schule. Die Gedanken gehen zurück.
Wie war das, hierher zu kommen nach Wiesenbronn? Im Vikariat hatte ich mich wohlgefühlt, auf der ersten Stelle in Tambach auch. In beide Gemeinden war ich gesandt worden: Nicht ich hatte entschieden, sondern die Landeskirche. Und jetzt das erste Mal die Entscheidung , meine Entscheidung für eine Gemeinde. Anhand der Ausschreibung im Amtsblatt. Nach einem Gespräch mit dem Dekan. Viele Gedanken und Überlegungen. Und die Unsicherheit, wie wird das werden? Wird das eine gute Gemeinde für mich, ein guter Ort für uns? Schließlich die Vorstellung im Kirchenvorstand. Und dann der Einzug ins Pfarrhaus. Mit einer Begrüßung durch den Posaunenchor und einem herzlichem Empfang. … Mit einer offenen Gemeinde – die Kirchengemeinde genauso wie die Dorfgemeinschaft. Mit spannenden neuen Aufgaben, besonders im Kindergarten und beim Kigo-Team.
Ich habe gewählt, mein Mann und ich haben entschieden. Und ich glaube, Gott hat zugeteilt.
Gottesbeziehung des Beters: Anteilhabe an Gott
5 Der Herr ist mein Gut und mein Teil;
du hältst mein Los in deinen Händen!
6 Das Los ist mir gefallen auf liebliches Land;
mir ist ein schönes Erbteil geworden.
So fährt der Psalmbeter fort. In seinem Bild, da geht es eigentlich um Landverteilung. Doch hier wird etwas anderes verteilt: [es ist] Gott selbst. Mir ist ein schönes Erbteil geworden. Gott ist dem Psalmbeter zum Lebensraum geworden. Das kann ihm keiner wegnehmen. Gott kann ihm keiner wegnehmen. Das weiß er gewiss.
Jetzt kommen Dinge in die Erinnerungskiste, die sie nicht schwerer machen – sondern leichter: Gute Gebete, die mich begleitet haben. Damals, als ich nach einem Jahr in der Gemeinde krank wurde. Sie, liebe
Gemeinde, haben mich damals getragen. Ich habe gespürt, dass ich mich auskurieren durfte – so herausfordernd und schwer das war – nach einer langen Vakanz und einem kurzen Gastauftritt von einem Jahr.
Aber schweres ist auch dabei: Als ich jetzt wieder krank wurde, da dachte ich: Ich kann Ihnen verlässlich sagen, wann ich wieder komme. Beim ersten Klinikaufenthalt wurde deutlich: Ein zweiter ist notwendig. Es war mir wichtig, Ihnen das bei meiner Rückkehr offen zu sagen. Also ging es ein zweites Mal in die Klinik, geplant, und aus der Arbeit heraus. Mit dem Bild, dass ich bald wieder zurück sein würde. Und dann wurde dort klar: Ich kann nicht in die Gemeindearbeit zurück. Nicht jetzt, und auch für längere Zeit nicht.
Ich habe es im Gemeindebrief geschrieben: Ich wäre gerne anders gegangen. Ein Stellenwechsel stand jetzt in nächster Zeit an, der Brief von der Landeskirche war schon gekommen. Doch so hatte ich mir den Abschied nicht vorgestellt. Bitte um Entschuldigung, zu spät gemerkt, dass ich krank bin.
Gottesbeziehung des Beters: Leben(sführung) vor Gott
7 Ich lobe den Herrn, der mich beraten hat;
auch mahnt mich mein Herz des Nachts.
8 Ich habe den Herrn allezeit vor Augen;
er steht mir zur Rechten, so wanke ich nicht.
Ein Lobpreis für Gott – so geht der Psalm weiter. Ein Lob an Gott, den guten Berater. Der selbst des Nachts gegenwärtig ist, der Teil des Beters in seinem Herzen, in seinen Nieren, seinem Innersten. Manchmal, da geht es ans Eingemachte. Ohne Konflikt gibt es keine Beziehung, auch keine Gottesbeziehung. Aber sicher ist eines: Ich habe den Herrn allezeit vor Augen. Oder, wie es im ursprünglichen Text heißt: Ich habe Jhwh vor mich gesetzt allezeit; [weil (er) zu meiner Rechten ist, wanke ich nicht.] Da ist keine Passivität. Ganz bewusst hat der Beter Gott vor sich gestellt: Er ist sein Fixpunkt, seine Orientierung.
Ein letztes Mal nehme ich für heute die Kiste in die Hand: Sie haben mir viel geschenkt in den letzten Jahren und ich nehme viel mit: Bilder im Kopf
von Weinbergtulpen. Den Geschmack von Tomaten aus Ihrem Garten auf der Zunge. Musik in meinen Ohren: Von der Orgel und den vielen Chören. Den Geschmack des Weines auf der Zunge. Und die Erinnerung an die Gespräche dabei. Und im Herzen die Geschichten, die Sie mir anvertraut haben. Manchmal bei ernsten Gesprächen – in denen trotzdem gelacht werden durfte. Manchmal ganz nebenbei, am Gartenzaun, wie beiläufig und doch so wichtig. Ich nehme Freude mit. Lebensfreude.
Gottesbeziehung des Beters: Lebensfreude und-fülle
9 Darum freut sich mein Herz, und meine Seele ist fröhlich;
auch mein Leib wird sicher wohnen.
10 Denn du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen
und nicht zugeben, dass dein Heiliger die Grube sehe.
Ein Psalm als Ausdruck höchster Lebensfreude und größten Glückes, ganz der Erde verhaftet. Der Psalm vertröstet nicht auf Zukunft hin. Er schaut auf Gott, der ein Leben in seiner Nähe zusagt, ein Leben der übergroßen Freude und des Glückes. Eine Lebensfreude, die in der Gewissheit gründet: Gott ist da.
Und so fasst der Psalmbeter im letzten Vers noch einmal alles zusammen:
Zusammenfassung: Leben, Freude und Glück sind bei Gott
11 Du tust mir kund den Weg zum Leben:
Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.
[Ich glaube, dem Psalmbeter hätte der Cartoon von den Peanuts gefallen:]
Oder, wie es die Peanuts sagen: „Eines Tages werden wir alle sterben.“ ---- „Ja, das stimmt. Aber an allen anderen Tagen nicht!“
Und der Friede Gottes, der höher ist, als all unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn. Amen.